Auf diese Fotografin hat die Welt gewartet
Annagenia Jacob
Kunsthochschule Kassel
2023
Multimediale Installation bestehend aus Fotografie, Text, Objekten, Video (Titel Video: Vaters Worte neu interpretiert, Länge: 38:09 Minuten)
Annagenia Jacob thematisiert in ihrer vielschichtigen multimedialen Installation ihre eigene soziale Prägung und erforscht auf humorvolle Weise Familienstrukturen, Geschlechterrollen, Vorbilder und das Konzept des Erwachsenwerdens. Insbesondere hinterfragt sie die Weltansichten ihres Vaters, fordert die Normen unserer Gesellschaft heraus und ermutigt dazu, im Scheitern verborgene Potenziale zu erkunden.
Fotos: Katharina Jäger
Biografien sind keine Abfolge bewusster und individueller Entscheidungen, sondern geprägt von politischen, sozialen und historischen Strukturen. In der Arbeit „Auf diese Fotografin hat die Welt gewartet“ erforscht Annagenia Jacob kritisch diese Strukturen, die wir oftmals im Alltag kaum wahrnehmen oder als vermeintlich „natürlich“ denken. In einer vielschichtigen multimedialen Installation, bestehend aus Fotografie, Grafiken, Text, Objekten und Video zeigt sie nicht nur den intensiven Rechercheprozess mit ihrer eigenen sozialen Prägung auf, sondern beschäftigt sich auch mit grundlegenden Fragestellungen zu Familienstrukturen, Erziehung, Geschlechterrollen, Vorbildern und dem Konzept des Erwachsenwerdens. Neben den vermeintlichen Erwartungen eines Kunstmarktes, der Gesellschaft und nicht zuletzt der eigenen, werden auch die Erwartungen des eigenen Vaters Teil ihrer künstlerischen Studie.
Screenshots: Annagenia Jacob
In der Videoarbeit „Vaters Worte neu interpretiert“, ein integraler Bestandteil der Installation, lässt Annagenia Jacob verschiedene Charaktere einen Monolog ihres Vaters performen. Die Arbeit offenbart seine Ansichten zu Themen wie Fotografie, Kunst, Erfolg und Gesellschaft, sowie seine persönlichen Sorgen und Träume. Gleichzeitig regt sie an, allgemein über Vaterrollen und -bilder nachzudenken. Die elterliche Kritik, die wir als Kinder oftmals unreflektiert aufnehmen und die unser späteres Leben nachhaltig prägt, wird in dieser Arbeit sichtbar und damit greifbar gemacht. Annagenia Jacobs künstlerischer Ansatz und ihre humorvolle Bearbeitung sind Werkzeuge, um mit der eigenen Prägung umzugehen und die Handlungsmacht zurückzuerobern.
Zusätzlich zur Betonung des wandelhaften Charakters von Sprache regt die Installation zu einer möglichen Neubetrachtung und Veränderung unserer Konzepte und Lebensweisen in Bezug auf Familie an. Baumaterialien und Spielplatzelemente als Träger für Fotos und Text betonen das Spiel, das Provisorische, das Unfertige und das Verharren im Dazwischen. Kuscheltiere, die ein Teil der Szenerie sind, bieten in diesem emotional herausfordernden Prozess der Abnabelung von familiären Strukturen, erlernten Glaubenssätzen und vermeintlichen Lebenszielen Unterstützung.
Angesichts der Tatsache, dass Erfolg in einer heteronormativen kapitalistischen Gesellschaft oft mit Reproduktion und Wohlstand in Verbindung gebracht wird, gilt aus feministischer Sicht das Scheitern oft als die bessere Wahl. Annagenia Jacob inszeniert ihr vermeintliches Scheitern als Frau, Tochter, Künstlerin und Fotografin als einen Ort des Potentials.