„Manchmal Will Ich Schreien“

Vanessa Rösgen

Hochschule Darmstadt

2023

B.A.: Motion Pictures, Narrative short film

Ich glaube, wir kennen die Situation alle: Jemand stirbt und man sagt „Mein herzliches Beileid“ und verfällt danach in ein unangenehmes Schweigen. Als meine Mutter im Sommer 2019 gestorben ist, hatte ich die Situation oft. Viele Bekannte und Freunde waren überfordert mit der Situation. Es gab entweder Floskeln oder alles wurde so gut es geht unter den Tisch geschwiegen. Einige sind auch einfach abgetaucht und haben sich gar nicht mehr gemeldet – so lange, bis ein bisschen „Gras“ drüber gewachsen ist und man nichts mehr sagen muss. Aber wie reagiert man richtig? Es gibt keine Anleitung und kein richtig oder falsch um mit Trauer umzugehen. Trauer ist individuell. Wichtig ist, dass man einfach da ist und zuhört. Auch in meiner Familie kommt es immer noch zu
komischen Situationen. Den perfekten Weg, damit umzugehen, haben wir irgendwie bis jetzt nie richtig gefunden.
Tabuthema Trauer: Als ich mich im Laufe der Zeit mehr und mehr mit Trauer beschäftigt habe, habe ich gemerkt, vielen geht es damit ganz ähnlich wie mir. Also habe ich im Jahr 2021 meinen Bachelorabschlussfilm
„Manchmal will ich schreien“ gedreht. Ich habe allein ein knappes Jahr an dem Drehbuch gearbeitet, um möglichst alle Aspekte und Probleme, die Kinder und Jugendliche mit dem Thema haben, zu zeigen.
In Filmen wird der Tod oft am Rande thematisiert. Aber es gibt immer nur ein danach und ein davor – selten ein währenddessen oder kurz danach. Selten wird das Thema „Trauer“ wirklich als zentraler Punkt gezeigt. Es ist schon verwunderlich: Der Tod betrifft irgendwann mal jeden von uns. Und trotzdem ist das Thema tabu.
Handlung: In der Geschichte habe ich mich für die beiden Geschwister Maggie (13 Jahre) und Luke (20 Jahre) entschieden. Beide haben vor acht Monaten ihre Mutter an Krebs verloren. Vor dem Tod waren
beide unzertrennlich, aber dadurch, dass beide nicht wissen wie sie mit der Trauer umgehen sollen, entsteht eine immer größere Distanz zwischen ihnen. Luke möchte möglichst alles verdrängen. Er spielt kein Klavier mehr, weil ihn das zu sehr an seine Mutter erinnert und hat dauernd wechselnde Partnerinnen, weil er zu viel Angst davor hat wieder jemanden zu verlieren. Außerdem besucht er Maggie und ihren Vater nur noch sehr selten im alten Haus der Familie. Maggie hingegen hält an allem fest. Sie trägt immer die alte Jacke ihrer Mutter und kratzt sich immer wieder die Narbe vom letzten Mal Pizza backen auf. Sie ist wütend, weil sie mit keinem über ihre Gefühle reden kann. Als dann ihr Vater auch noch vorschlägt, dass seine neue Freundin nur bei den beiden einziehen soll, wird es Maggie zu viel und sie rennt weg.
Absicht: Mit dem Film möchten wir betroffene Kinder und Jugendliche abholen und ihnen zu zeigen, sie sind nicht alleine mit dem was sie fühlen. Mir war es daher sehr wichtig, die Geschichte möglichst authentisch zu zeigen. Viele Kinder und Jugendliche haben keinen richtigen Ansprechpartner und wissen nicht, wie sie mit dem Verlust umgehen sollen. Situationen wie beispielsweise mit einer neuen Stiefmutter, dem Umgang von alter Kleidung, das nicht darüber reden können, Wut, Verdrängung, Festhalten etc. sind alles Dinge, die Maggie und Luke erleben und die eine Sammlung aus eigenen Erfahrungen und Erfahrungen von anderen Betroffenen sind. Auch wenn der Kurzfilm nur ein paar Aspekte der Thematik beleuchten kann, hoffe ich, dass sich möglichst jeder darin vertreten fühlt.